Inspiration

Unhappy Learning = new learning?

Liebe Leserinnen und Leser,

Veränderungen in einem volatilen, unsicheren, komplexen und ambigen (VUCA)-Umfeld verlangen nach raschen Anpassungen und es scheint, als würde die sich stetig verbessernde Informationstechnologie ein immer schnelleres Tempo vorgeben. Wie verschaffen sich Unternehmen die Zeit und die Räume für kontinuierliches Lernen? Muss das Lernen neu erfunden werden? Diesen Fragen gehen wir in unserem neuesten Newsletter nach.

 

Inhaltsverzeichnis

 

Wir wünschen Ihnen interessante Impulse und viel Spaß bei der Lektüre!

Ihr meta | five Team

 

Unhappy Learning = new learning? Unterstützung auf dem Weg zu neuen Lernräumen

Vielleicht kommt Ihnen folgendes Szenario bekannt vor: eine Ihrer Führungskräfte kommt von einem Seminar zurück und ist ganz begeistert von den neuen „agilen“ Ansätzen. Sie bringt viele Ideen mit und nach einer Weile ist der Frust groß: die Ideen passen so gar nicht zur Realität Ihres Unternehmens. Agilität, New Work und Digitalisierung – wenngleich Sie diese Themen am Horizont auf sich zukommen sehen, ist die Realität im Unternehmen aber noch weit entfernt. Was also tun?

Wahrscheinlich wird in „nur 10 Jahren ca. 80% des Umsatzes mit heute unbekannten oder nicht vorhandenen Erzeugnissen erwirtschaftet. Übersetzt bedeutet das einen enormen Lernbedarf. Dieser riesige Bedarf an kontinuierlicher Weiterentwicklung braucht andere neue Lernkonzepte als die, die wir bisher angewendet haben.“ (Jan Fölsing1)

Der Bedarf an Lernangeboten liegt also klar auf der Hand, die Anforderungen an diese Lernangebote aber passen nach unserer Beobachtung in den allermeisten Fällen (noch) nicht zur Lernkultur in Unternehmen. Weit verbreitet ist immer noch das klassische Seminarangebot, welches dann neue Label wie „Agiles Führen“ erhält, der Lerntransfer – wie in unserem Beispiel – aber ist schwierig.

Daher beschäftigen wir uns mit der Frage, wie die Lernbereitschaft der Einzelnen und die Realität der Lernkultur der Organisation in Einklang gebracht werden kann. Gleichzeitig haben wir uns gefragt, was das für unser Angebot an Lernformaten heißt.

Genähert haben wir uns der Frage auf drei Ebenen: was heißt das für die Personalentwickler, die Lernenden und die Lernwegbegleiter von meta | five.

  • Zentrale Bedeutung hat die Personalentwicklung, deren Rolle sich in stetigem Wandel befindet. Mut, Neues zu wagen und auszuprobieren sowie den Erfolg einer Maßnahme nicht an Happy Sheets zu bemessen, ist auf dem Weg zu neuen Angeboten gefragt. Wir freuen uns, in unserem Beitrag „Die konstruktive Lernkultur“ drei solcher Beispiele aus unserer Praxis vorzustellen.
  • In Bezug auf die Lernenden hat uns vor allem interessiert, was Menschen brauchen, um gut lernen zu können. Unsere Erfahrung deckt sich mit den empirischen Befunden von S. Porges: Psychologische Sicherheit ist elementar, wenn Lernen, Entwicklung und Wachstum ein konstruktives Zusammenspiel von Verstand und Gefühl bedeutet. Hierzu mehr in unserem Beitrag Embodiment – was ist das eigentlich?
  • Wir verstehen uns als Lernwegbereiter und -begleiter. Dabei nehmen wir „Unhappy Learning“ (Vgl. Exkurs unten) bewusst in Kauf, denn wir regen Reflexions- und Erkenntnisprozesse an, die nachdenklich machen und vielleicht sogar zunächst irritieren. Wir schaffen Lernräume, in denen neue Verhaltensweisen ausprobiert werden können und fördern Metakompetenzen, wie Selbststeuerungskompetenz, Sicherheit im Umgang mit Unsicherheit und Reflexion der eigenen Lernstrategien. Somit fördern wir Lernen als festen Bestandteil im Berufsalltag. Wir regen an zum
    • Nachdenken, um bisherige Denkstrukturen zu hinterfragen
    • Mitdenken, um Strategien zu bewerten, zu entwickeln und zu hinterfragen
    • Querdenken, um verschiedene Perspektiven zu verstehen
    • Vordenken, um innovative Zukunftsszenarien zu entwickeln
    • Neu Denken, um Raum für Alternativen zu schaffen
    • Systemisches Denken, um Zusammenhänge zu erkennen und einen Überblick zu gewinnen

Zurück zu obigem Szenario: Was heißt das nun? Unsere Empfehlung: schaffen Sie Angebote und Lernräume, die unhappy learning in einem sicheren Rahmen ermöglichen und den Einzelnen in seiner Lern- und Veränderungskompetenz zu stärken. Helfen Sie also Ihren Lernenden den Themen am Horizont mit mehr Kompetenz und einem gesteigerten Gefühl von Selbstwirksamkeit zu begegnen. Personal Mastery – als ein erster Schritt auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur.

Exkurs: Unhappy Learning = new learning?

In der VUCA-Welt gibt es nicht den einen Lösungsweg, sondern viele, jeweils mit pro und contra. Lernende können also per se nichts richtig machen und lernen am besten aus Fehlern. Dieser Weg ist zunächst frustrierend, verlangt es doch vom Einzelnen, Risiken einzugehen, Unzulänglichkeiten zu erkennen und Blockaden wahrzunehmen. Das macht Trainingsteilnehmer „unhappy“ und zentrale Lernkompetenz ist, dieses Gefühl erst einmal auszuhalten. Erst in einem zweiten Schritt können Erkenntnisse in neue Arbeitshypothesen überführt werden, die neue Erkenntnisse bringen.

 

1https://wissensdialoge.de/mit-newwork-muss-auch-das-lernen-ein-upgrade-erfahren-ein-interview-mit-jan-foelsing/

 

 

Die konstruktive Lernkultur

Aus unserer Sicht gehören Arbeiten und Lernen zwingend zusammen:

  • Für Individuen bedeutet das, in ihrem Berufsalltag eigene Kompetenzen bewusst wahrzunehmen, nützliche und weniger nützliche Verhaltensmuster zu reflektieren und eigenverantwortlich den persönlichen Lernweg zu gestalten.
  • Um eine konstruktive und lebendige Lernkultur in Unternehmen zu schaffen, braucht es sichere Rahmenbedingungen, die es dem Einzelnen und Teams ermöglichen, sich auszuprobieren, Trends aufzugreifen und Neues auf die eigenen Bedarfe anzupassen. Darüber verschaffen sich Unternehmen Flexibilität, sich auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen.
  • Die Aufgabe der Personalentwicklung als Begleiter und Berater in einer gelebten Lernkultur kann dann zum strategischen Schlüsselfaktor werden.

Wie das in der Praxis funktioniert, zeigen drei unserer Kundenprojekte:

  • Gemeinsam mit der Biotest AG haben wir ein mehrstufiges Führungskräfteentwicklungsprogramm entworfen, das neben den Kernthemen moderner, erfolgreicher Führung auch Team-Lernen durch das Ausprobieren individueller und gemeinsamer Reflexions- und Beratungsmethoden ermöglicht. Um einen (Lern-)Kulturwandel auf möglichst vielen Ebenen anzustoßen und den kollegialen Austausch zwischen den Hierarchieebenen zu fördern, werden oberem und mittlerem Management die gleichen Modelle und Methoden vermittelt.
  • Mit der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern haben wir ein Potenzialprogramm konzipiert, in dem Mitarbeiter in einem Development Center zunächst ihren individuellen Standort in Bezug auf ihre Stärken, Entwicklungsfelder und Laufbahnambitionen bestimmen. In sog. LernCamps erarbeiten die Teilnehmer anschließend ihre persönlichen Entwicklungsthemen und stärken in einem Selbstreflexions-Workshop ihre Kompetenz im Umgang mit der eigenen Entwicklung.
  • Die Loyalty Partner GmbH macht die Vermittlung einer konstruktiven Lernkultur zum zentralen Bestandteil der Personalentwicklung für alle Mitarbeiter. Gemeinsam entwickelten wir ein Großgruppen-Konzept, bei dem individuelle Entwicklung und unternehmerische Interessen gestärkt werden. Dabei liegt der Fokus einerseits auf der Eigenverantwortung der Mitarbeiter, den eigenen Lern – und Entwicklungsweg zu reflektieren und insgesamt für sich ein klareres Bild zu entwickeln, wo eigene Kompetenzen liegen. Andererseits werden unternehmerische Interessen in Form der internen Unternehmenskompetenzen gestärkt und für Mitarbeiter wird eine sinnvolle Vernetzung ermöglicht.

Neben der Entwicklung spezifischer, anforderungsbezogener Konzepte für unsere Kunden bieten wir im Rahmen unseres offenen Seminarangebots ein Workshop-Format für Einzelpersonen an, die sich gezielt mit ihrer persönlichen Veränderung beschäftigen und dafür einen konstruktiven Umgang finden möchten: Um die eigenen Lern- und Veränderungskompetenzen zu erweitern berücksichtigen wir 4 Ebenen. Wir stellen das eigene Erleben in den Mittelpunkt, fördern den Austausch unter den Trainingsteilnehmern, bieten Methoden zur Reflexion und Entwicklung an und unterstützen darin, eigene Perspektiven auf Entwicklungswege zu erweitern. Im Workshop „Sich selbst wieder führen“ begeben wir uns auf einen 2-tägigen gemeinsamen Lernweg. Ein nachgelagertes individuelles Coaching erleichtert den Transfer der gemachten Erfahrungen in den (Berufs-)Alltag. So schaffen wir ein Lernsetting, das Metakompetenzen erweitert und persönliche Ziele mit der Realität im Arbeitsalltag verbindet.

 

 

Embodiment – was ist das eigentlich?

Emotional Leadership ist längst in aller Munde und die Erkenntnis klar: Motivierte Mitarbeiter brauchen Spaß an der Arbeit, Erfüllung durch Sinnstiftung, den Glauben daran, das richtige zu tun und eine Führungskraft, der sie vertrauen können. Nun ist seit geraumer Zeit davon die Rede, dass Führungskräfte nicht nur Emotionen zulassen, sondern auch noch auf ihren Körper hören sollen, wenn sie ganzheitlich handeln wollen. Und damit ist nicht die Leistungssteigerung durch Marathonlaufen und andere Aktivitäten für mehr Fitness gemeint. Embodiment zielt darauf ab, dass dem autonomen Nervensystem mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Klingt einleuchtend, sind doch die Neuronen im Körper aus dem gleichen Stoff aus dem auch die Gehirnzellen geschaffen sind. Wer sich auf die Sachebene beschränkt und dem logischen Denken höchste Priorität einräumt, nutzt nur 10 % seiner Gehirnleistung. Was für eine Verschwendung von ungenutzten Ressourcen!

Wie aber kommen wir heran an die restlichen 90 %? Die Untersuchungen des Neuropsychologen Stephen W. Porges1 zeigen: Unser Nervensystem ist vorrangig damit beschäftigt, unser Leben zu erhalten. Konfrontiert mit einer neuen Situation scannt es die Umgebung, um als erstes herauszufinden, ob das Leben bedroht wird oder nicht, und das läuft autonom ab. Für die Bewertung bedarf es keiner greifbaren, realen Gefahr, es reicht das Gefühl, in den Grundmotiven angegriffen zu werden, die da sind: Kompetenzerleben, Selbstwert und Autonomie. Als soziale Wesen sind diese Motive elementar und das Nervensystem reagiert genau so, als wäre die Bedrohung eine körperliche: Kampf, Flucht oder – wenn das nicht hilft – Totstellreflex. In allen drei Bewältigungsmodi sind wir nicht in der Lage neue Informationen aufzunehmen und mit unseren Mitmenschen zu interagieren. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer sein Verhaltensspektrum erweitern will, neue Führungskompetenzen lernt und sich in der Zusammenarbeit mit anderen reflektiert, braucht zu allererst eine sichere Umgebung, in der sich der Körper wohl fühlt, frei von Stress und Angst.

Diesen Raum zu schaffen ist erste Aufgabe unserer Trainer. In einer wertschätzenden, sicheren Atmosphäre kann es gelingen, das logische Denken, das sich die Welt kausal erklärt, mit dem in Einklang zu bringen, was der Persönlichkeitspsychologe Julius Kuhl2 das SELBST nennt. Jenes autonome Ich, das handelt ohne erst zu überlegen und Informationen als Netzwerke abspeichert, die auf einen Schlag erinnert werden können. Diese beiden Welten gilt es in Einklang zu bringen: das kausale, logische Denken einerseits und das komplexe Erleben, Empfinden, Fühlen andererseits. In einer entspannten Stimmung gelingt es gut, sich selbst zuzuhören, eigene Regungen bewusst wahrzunehmen und den Dingen nachzuspüren. Als nächstes kann sich ein Lernender dann etwas Stress zumuten, indem er sich den Dingen zuwendet, die nicht gut laufen. Hier gilt es Schmerz auszuhalten und sich bewusst daran zu hindern, in den Kampf- oder Fluchtmodus zu wechseln, und stattdessen das eigene Nervensystem zu beruhigen, um beobachten zu können: Was passiert da gerade? Welche Handlungsfelder zeichnen sich ab? Sind diese erfasst, darf als nächstes wieder der logische Verstand ran, der konzentriert aus der Beobachtung Schlüsse ableitet und die nächsten Handlungen plant. Die gilt es dann möglichst freudig und bald schon autonom umzusetzen. So soll ganzheitliches Lernen funktionieren. Zentrale Metakompetenz ist dabei die Fähigkeit, bewusst zwischen diesen Anteilen zu wechseln und auch die damit einhergehenden Affekte aktiv steuern zu können. Bei dieser höchst individuellen Reise zwischen Ich und Selbst verstehen sich unsere Trainer als Reisebegleiter, die auf Sehenswürdigkeiten hinweisen und Fertigkeiten vermitteln.

1vgl. https://www.stephenporges.com/articles
2vgl. https://www.psi-theorie.com/